Die Diskussion um Leiharbeit in der Pflege ist allgegenwärtig. Ihr wird vorgeworfen, Schuld am wachsenden Personalmangel zu haben, eine 2-Klassen-Gesellschaft zwischen Festangestellten und Leiharbeitern zu schaffen und den reibungslosen Ablauf komplexer Vorgänge in den Einrichtungen zu beeinträchtigen. Harte Vorwürfe, die seitens der Kliniken, Heime oder beispielsweise auch dem Bundesverband Pflegemanagement getätigt werden.
Schaut man sich jedoch die Fakten an, ist die Situation aktuell folgende: Laut Statistiken arbeiteten Stand 2021 ca. 1,67 Millionen Beschäftigte in Deutschland in allen Bereichen der Pflege. Von diesen 1,67 Millionen, arbeiteten rund 25.200 Pflegekräfte in der Zeitarbeit – ein marginaler Anteil, der offensichtlich dennoch zum Sündenbock des derzeitigen Personalmangels deklariert wird.
In einem kürzlich erschienenen Artikel der Süddeutschen Zeitung zum Thema „Wie Leiharbeit den Personalmangel in der Pflege verstärkt“ wird Leiharbeitern unter anderem unterstellt: „höhere Löhne, geregelte Arbeitszeiten, keine anstrengenden Spät-, Nacht- und Wochenenddienste [zu übernehmen]. Beschäftigte der Leiharbeit haben die Freiheit, jederzeit den Einsatzort zu wechseln, wenn Stress und Arbeitsbelastung überhandnehmen oder das Klima in einer Einrichtung unerträglich wird.“ Solche Aussagen erwecken den Eindruck der Rosinenpickerei – doch schaut man sich die Wirklichkeit bei Zeitarbeitsfirmen wie uns an, können wir bestätigen, dass unsere Mitarbeiter selbstverständlich auch am Wochenende, in Spät- oder Nachtschichten oder auch an Feiertagen arbeiten – sofern sie es können und wollen.
Der springende Punkt ist, dass Zeitarbeiter die Möglichkeit haben, bei ihrem Dienstplan mitzusprechen und keine Dienste aufgedrückt bekommen, die nicht zu ihrem Leben und der familiären Situation passen. Auch Spontananrufe an freien Tagen, im Urlaub oder am Wochenende fallen weg. Fraglich erscheint es, wieso es noch immer keine Selbstverständlichkeit ist, dass Mitarbeiter in der Pflege über ihre Dienste und Lebensgestaltung Mitspracherecht erhalten. In dem Süddeutsche-Artikel heißt es wiederum: „Die externen Kräfte [sollen…] per Gesetz verpflichtet [werden], an 365 Tagen 24 Stunden täglich zur Verfügung zu stehen – genauso wie die Stammbelegschaften.“ Wir fragen uns an dieser Stelle: Von welchem Arbeitnehmer kann das verlangt werden? Warum sollte es falsch sein, seine Arbeit gut und gerne zu verrichten, dabei jedoch nach besseren Bedingungen Ausschau zu halten? Die Pflege ist ein essenzieller Job für unsere Gesellschaft – und doch haben unsere Pflegenden wie alle anderen Arbeitnehmer auch selbstverständlich Bedürfnisse, ein Recht auf Freizeit und ein geregeltes Familienleben. Wer sich bei solchen Forderungen langfristig dem Pflegeberuf verschreiben mag, bleibt abzuwarten.
Pflexit oder Bleiben?
Für viele Pflegekräfte ist die Leiharbeit sogar der letzte Versuch in der Pflege zu bleiben, bevor sie dem Beruf komplett den Rücken kehren – hier sind die monetären Anreize jedoch in der Regel nicht der ausschlaggebendere Grund für einen Wechsel, sondern vorranging die bessere Flexibilität, das Mitspracherecht und Planbarkeit für Familie, Freizeit und persönliche Bedürfnisse.
Berücksichtigt man allein dieses Argument, dass viele Pflegekräfte ihrer Branche schon den Rücken zugekehrt hätten, wenn sie nicht in die flexiblere Zeitarbeit gewechselt hätten, ist das Argument, dass die Leiharbeit den Personalmangel verschärft, nicht haltbar. Würde die Zeitarbeit – wie so oft gefordert – abgeschafft, würden große Personallücken dazu führen, dass Patienten schlichtweg nicht betreut werden könnten oder Betten abgebaut werden müssten.
Veränderungen und Chancen gehen einher
In dem bereits erwähnten Artikel der Süddeutschen Zeitung heißt es weiter: „Der Deutsche Pflegerat betont, gerade ältere Menschen benötigten „professionell Pflegende, die ihnen vertraut sind und ihre Bedürfnisse kennen“. Helmut Wallrafen, Geschäftsführer der Sozial-Holding Mönchengladbach, die sieben Pflegeheime betreibt, fürchtet, der Ausbau der Leiharbeit werde wieder zu mehr Pflege nach dem Prinzip „satt, sauber und still“ führen. Der ständige Wechsel des Einsatzortes lasse keinen Aufbau von Beziehungen zu den Pflegebedürftigen zu.“
Hierzu können wir sagen: Es stimmt, dass Leasingkräfte überwiegend darauf angewiesen sind, „blind“ in das Tagesgeschäft zu springen und sich „reinzufuchsen“. Dieses hohe Maß an Flexibilität und Anpassungsfähigkeit führt naturgemäß bei kurzen Überlassungszeiten dazu, dass die Bindung zum Patienten auf Grund der begrenzten Einsatzzeit etwas oberflächlicher ausfallen kann – doch die Oberflächlichkeit ist nicht nur ein Problem der Leiharbeiter, sondern ein generelles Problem für die gesamte Belegschaft, ausgelöst durch die hohe Anzahl an zu betreuenden Patienten pro Mitarbeiter.
Fakt ist jedoch auch: Zeitarbeiter können eine großartige Möglichkeit sein, das Stammteam durch qualifizierte Mitarbeiter zu ergänzen. Unterstützen können Einrichtungen eine qualifizierte und effiziente Zusammenarbeit, indem beispielsweise für Zeitarbeitskräfte Laufpläne, Handlungsanweisungen, Rufnummern für Notfälle etc. bereitgehalten werden. Auch der aktive Dialog über die Leistungswahrnehmung der überlassenen Mitarbeiter mit der Leasinggesellschaft kann dabei helfen, Schulungs- und Gesprächsbedarfe zu identifizieren, um Abläufe effizienter werden zu lassen.
Alles in allem ist der Ruf nach Veränderungen von und für Pflegekräfte unserer Meinung nach absolut berechtigt. Doch die Zeitarbeit dabei wie in benanntem Artikel als Sündenbock zu deklarieren, erscheint auf Basis der erbrachten Argumente nicht zielführend. Vielmehr sollte es der aktuellen Politik ein Anliegen sein, den immer lauter werdenden Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte nachzukommen, um aktuell Festangestellten einen Anreiz zu liefern, langfristig und zufrieden in diesem so essenziellen Beruf zu arbeiten und nicht jene zu verteufeln, die selbstständig aktiv werden und in der Zeitarbeit eine Möglichkeit finden, ihren Traumberuf unter besseren Bedingungen auszuüben.
Denn letzten Endes sollte es doch vor allem um eins gehen: dass Pflegekräfte ihren Beruf wertgeschätzt und ausgeglichen ausüben können und Patienten mit Herz und Verstand helfen.